#29 Renaissance der Gewerkschaften? Zum Stand Gewerkschaftlicher Erneuerung.

Mit Katja Karger (Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg) und Ulli Brinkmann (Professor für Arbeits- und Organisationssoziologie an der TU Darmstadt) diskutieren wir, wie es um die Gewerkschaften in Deutschland bestellt ist. Mehr Streiks, neue Beteiligungsinstrumente, steigende Mitgliederzahlen einerseits, andererseits Aufstieg rechtspopulistischer und autoritärer Einstellungen auch bei Arbeiter*innen. Wie lässt sich das erklären? Sehen wir gerade eine gewerkschaftliche Renaissance oder eher Strohfeuer, die einen Machtverlust von Gewerkschaften nicht stoppen können?

Die Episode ist ein Mitschnitt der gleichnamigen Abschlussveranstaltung die im Juni 2024 an der TU Berlin stattfand. Moderiert von Rolf Schmucker vom DGB-Index Gute Arbeit und Felix Nickel Co-Host von „Democratize Work!“.

Im ersten Teil diskutieren wie, ob es eine Renaissance der Gewerkschaften gibt, dabei schauen wir auf die verschiedenen Machtressourcen und wir hören von aktuellen Beispielen für beteiligungsorientierte Gewerkschaftsarbeit. 



Im zweiten Teil der Aufzeichnung widmen wir uns dem Aufstieg der Rechten und den damit einhergehenden Herausforderungen für Gewerkschaften. Außerdem werfen wir einen Blick in die Zukunft.


Weitere Infos zum Thema

Der „Sachkundige Arbeitnehmer“ ist ein in § 80 Abs. 2 Satz 3 des Betriebsverfassungsgesetzes geregelte Einbeziehung betrieblicher Auskunftspersonen in die Betriebsratsarbeit. Das Instrument ist eine Neuerung des im Jahr 2001 novellierten Betriebsverfassungsgesetzes und bildet eine wertvolle Schnittstelle zwischen repräsentativer Mitbestimmung und direkter Partizipation. Mehr dazu gibt es nachzulesen im Artikel „Hybride Beteiligungsformen am Beispiel sachkundiger Arbeitnehmer“ von Ulli Brinkmann und Frederic Speidel erschienen in den WSI-Mitteilungen 2/2006 der Hans-Böckler-Stiftung.

Mehr von Katja Kargers Perspektive auf die Rolle der Gewerkschaften in der Transformation, insbesondere mit Blick auf eine demokratische Gestaltung des Wandels gibt es zu lesen auf dem Blog „Politische Ökonomie“ in ihrem Beitrag: „Es geht nur gemeinsam – und es geht nur gerecht“. Darin nimmt sie auch Bezug auf Transformationsräte und natürlich den Strukturwandel (Themen die uns in den Episoden #23 , Episode #22 sowie Episode #7 beschäftigt haben)

Der DGB ist unter anderem Mitglied im bundesweiten Bündnis „Zusammen für Demokratie“ Das Bündnis schreibt über sich: „Zusammen für Demokratie ist ein bundesweites Bündnis, in dem die Mitglieder ihre Aktivitäten zur Verteidigung der Demokratie koordinieren und die mutigen Menschen unterstützen, die unter teilweise schwierigen Bedingungen überall im Land für demokratische Werte einstehen. Für Initiativen, die lokal aktiv sind, bieten wir Unterstützung. Dabei arbeiten wir mit bestehenden Netzwerken und Bündnissen zusammen, insbesondere in den Bundesländern, in denen 2024 Kommunal- und Landtagswahlen stattfinden. Wir richten unsere Unterstützung flexibel auf den Bedarf aus, wie er von Initiativen vor Ort gesehen und benannt wird.“

Außerdem ist der DGB Berlin-Brandenburg engagiert in der Initiative „Demokratisches Engagement stärken“ deren Aufruf hier zu finden ist

Das Thema Arbeiter*innenbewegung von „rechts“ haben wir auch in Episode #14 Mit Sandro Witt (DGB Bundesvorstand, Projektleiter „DGB Koordinierungsprojekt Initiative Betriebliche Demokratiekompetenz“) und Thomas Goes (Soziologisches Forschungsinstitut – SOFI) beleuchtet.

Mehr von unseren Gästen

Ihre Erfahrungen mit und Einschätzung zur Interessenvertretung in der New Economy schildert Katja Karger u.a. im 2004 erschienen Beitrag „Der Mensch hinter dem @. Betriebsräte der Neuen Medien zwischen Interessenskonflikt und Kooperation“ bei Menschen Machen Medien, dem medienpolitischen Magazin von ver.di.

Gemeinsam mit Maren Hassan-Beik und Lukas Zappino untersucht Ulli Brinkmann im 2021 erschienen Buch „Solidarität und Skepsis. Flucht, Migration, arbeitsweltliche Umbrüche und politische Entwurzelung.“ (VSA Verlag) welche Deutungen engagierte Gewerkschafter*innen zu den jüngsten Migrationsbewegungen, den Umbrüchen in der Arbeitswelt, dem neoliberalen Umbau des Sozialstaats und den Veränderungen in der Parteienlandschaft haben. Die Befragungsstudie der TU Darmstadt stellt »engagierte Gewerkschafter*innen« ins Zentrum: Als informelles Scharnier zwischen Hauptamtlichen und Mitgliedern sind sie besonders sensibel für drängende Themen und wirken als Sprachrohr in beide Richtungen. Diese bislang kaum beachtete Gruppe wurde mit einem Mix aus quantitativen und qualitativen Methoden erforscht.  

Mit Daniel Behruzi veröffentlichte Ulli Brinkmann 2024 einen Artikel zum erwähnten Arbeitskampf der LKW-Fahrer: „Eine unwahrscheinliche Macht. Der Arbeitskampf osteuropäischer Lkw-Fahrer und der Machtressourcenansatzin der Zeitschrift Sozialismus, 51 (491).

Das Thema Demokratie und Arbeit beschäftigt Ulli Brinkmann schon länger, im 2014 im gewerkschaftlichen Debattenmagazin „Gegenblende“ veröffentlichten Artikel  „Postdemokratie und die Erosion wirtschaftlicher Bürgerrechte“ greift er Colin Crouchs Diagnose der „Postdemokratie“ im politische Raum auf und untersucht, inwiefern diese Diagnose auch für die Industriellen Beziehungen und betriebliche Beteiligungsprozesse zutreffend ist.

Gemeinsam mit Oliver Nachtwey hat er dieses Thema vertieft im 2017 erschienenen Buch: „Postdemokratie und Industrial Citizenship. Erosionsprozesse von Demokratie und Mitbestimmung“ (Beltz Juventa).

Über unsere Gäste

Ulli Brinkmann, befasst sich in seiner Forschung als Arbeitssoziologe intensiv mit der Frage gewerkschaftlicher Machtressourcen und Partizipation in der Arbeitswelt. Weitere Schwerpunkte seiner Forschung sind prekäre Arbeitsverhältnisse und die Soziologie es Internets. Er ist Professor für Arbeits- und Organisationssoziologie an der TU Darmstadt.

Katja Karger ist die Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg. Sie war früher selber einmal beim Radio und später bei Digitas Pixelpark, einer digitalen Marketingagentur, wo sie den Betriebsrat mit gegründet hat. Ursprünglich hat sie eine Ausbildung zur Idustriekauffrau gemacht und außerdem Philosophie und Kulturwissenschaften studiert. In ihrer Abschlussarbeit zur Kultur der Arbeit hat sie sich mit den mit Erwerbsarbeit verknüpften Werten und Normen auseinandergesetzt.

Dies ist unsere vorerst letzte Folge. Wir sagen Danke!

An euch, unsere Hörer:innen: Mit mehr als 11.000 Streams haben wir viel mehr Menschen erreicht als wir je gedacht haben. Danke für euer Interesse!

An die Träger:innen des Projekts: Die Kooperationsstelle Arbeitswelt und Wissenschaft der TU Berlin und das Forum Neue Politik der Arbeit (FNPA) e.V.

An die Geldgeber:innen: Hans-Böckler-Stiftung, Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt, DGB Berlin-Brandenburg, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.

Felix und Johanna danken besonders: Rolf Schmucker und Ulf Banscherus für die großartige inhaltliche und administrative Unterstützung. Christian Scholz-Alvarado für die Idee und Entwicklung des Projekts zu Beginn. Anke Arnold, Alexandra Schulz, und dem Online-Lehre Team der ZEWK der TU Berlin.


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